Hüttenromantik statt all-inclusive

Schlafraum mit 14 Betten

Hüttenromantik statt all-inclusive: So übernachtet man im Orgelfelsenhaus des Schwarzwaldvereins Gaggenau

Verwöhnte Urlauber werden sich die Augen reiben: Im Orgelfelsenhaus des
Schwarzwaldvereins Gaggenau müssen sich die Gäste selbst versorgen. Die 22
Schlafgelegenheiten verteilen sich auf drei Zimmer. Ist das noch gefragt?

All-inclusive? Nein! Stromanschluss? Nein! Zimmer mit Dusche?
Nein! Wer einen Aufenthalt im Orgelfelsenhaus des
Schwarzwaldvereins Gaggenau plant, muss Abstriche beim Komfort in Kauf nehmen.

Das Haus hat allerdings auch seine Pluspunkte. Gäste des Wanderheims bekommen dafür Schwarzwälder Hüttenromantik und Natur pur. Das Haus hat seinen eigenen Charme.

Keine Steckdose zum Aufladen des Handys

Wasch- und Duschräume sind im Keller. Steckdosen, um etwa das  Handy aufzuladen, gibt es nicht. Die 22 Schlafgelegenheiten im Haus verteilen sich auf einen Schlafraum mit 14 Betten und zwei  Zimmer mit jeweils vier Betten. Ist das in Zeiten von All-inclusive-Paketen und Wellness-Oasen noch gefragt?

Die Belegungszahlen sprechen für sich: In dem vor 90 Jahren erbauten Wanderheim fühlen sich nicht nur Mitglieder des Schwarzwaldvereins Gaggenau wohl. „Im vergangenen Jahr hatten wir die bislang höchste Belegungszahl seit Bestehen des Hauses“, sagt Franz-Josef Lucke. Er ist Vorsitzender des knapp 300 Mitglieder zählenden Schwarzwaldvereins in Gaggenau.

An 205 von 365 Tagen des Jahres 2023 war das Selbstversorgerhaus belegt. 754 Anreisen und 1.650 Übernachtungen wurden registriert. Die Zahlen kann Lucke so detailliert aufsagen, weil sie jeden Monat an das Statistische Landesamt gemeldet werden müssen.

Frühzeitige Anfragen für Orgelfelsenhaus

Das Orgelfelsenhaus war demnach nahezu jedes Wochenende ausgebucht. Der Trend hält an. Im laufenden Jahr sind nur noch ganz wenige Termine frei. Oft kommen Anfragen schon ein Jahr im Voraus.

Auch Wanderer, die im Höhengebiet Kaltenbronn zwischen Murg- und Enztal unterwegs sind, stehen bisweilen neugierig vor dem abgelegenen Wanderheim mit der Hausnummer 297. Eine Straße ist bei der Anschrift nicht genannt. Das Orgelfelsenhaus trägt dafür den Zusatz „außerorts“.

Das war ein Bild wie bei Caspar David Friedrich.
Franz-Josef Lucke
Vorsitzender Schwarzwaldverein

Lucke und seine ehrenamtlichen Mitstreiter erleben es beim Hüttendienst immer wieder: „Die Leute fragen, ob sie mal in das Haus dürfen“, berichtet der Vereinsvorsitzende. Wer das Haus nach einem Rundgang wieder verlässt, kennt seine Vorzüge.

„Der Blick ins Tal ist das Schönste“, findet „Rechner“ Roger Ball. So heißt das für die Finanzen zuständige Mitglied der Ortsgruppe Gaggenau des Schwarzwaldvereins. Die gibt es seit dem Jahr 1904.

Wenn bei klarer Sicht am Abend die Lichter in Häusern im Gernsbacher Stadtteil Reichental und im ebenfalls zu sehenden Forbacher Ortsteil Bermersbach angehen, sei das „fast wie an Weihnachten“.

Auch Lucke schätzt die Romantik. Er hat schon Nebeltage erlebt, an denen die benachbarten Orgelfelsen gerade noch aus der Nebeldecke herausschauten: „Das war ein Bild wie bei Caspar David Friedrich.“ Gestört werden Ruhe und Idylle lediglich durch Motorradlärm auf der L 76b zwischen Gernsbach-Reichental und
Kaltenbronn.

Wasser aus eigener Quelle

Eine eigene Quelle versorgt das Haus am Wald oberhalb des Gernsbacher Stadtteils Reichental mit Wasser. Um die Vorgaben der Trinkwasserverordnung zu erfüllen, erfolgt eine aufwendige Aufbereitung.


Eine Schwachstrom-Solaranlage mit Speicher liefert die Energie für die Beleuchtung, inzwischen LED. Schon im Jahr 1995 wurden die ersten Solarpaneele auf dem Dach installiert.

Bis 1965 wurde mit Holz geheizt

Eine Drei-Kammer-Kläranlage reinigt das Abwasser. Geheizt und gekocht wird mit Gas. Bis 1980 wurde eine Ölheizung betrieben. Lucke erinnert sich noch an diese Zeiten: „Der Tank war im Keller. Da musste man das Öl hochpumpen.“

 

Bis zum Jahr 1965 musste noch ein Holzofen angefeuert werden. Ein Kühlschrank vor dem Haus funktioniert ganzjährig ohne Strom:
Im Brunnen können Getränke und sonstige Lebensmittel gekühlt werden. Entsprechende Behälter wurden dafür angefertigt.

Solardusche im Garten

Zwei Waschräume mit Waschbecken und jeweils einer Dusche sind über eine Außentreppe im Keller zugänglich. Im Garten steht zudem eine Solar-Dusche zur Verfügung. Schwarzwälder Gemütlichkeit vermittelt der Aufenthaltsraum mit 24 Plätzen an zwei Tischgruppen.

Auf die Gäste lassen die Hüttenwarte Norbert und Michael Heberle nichts kommen. Schäden oder sonstigen Ärger würden die so gut nie verursachen. „Wandersleut’ sind feine Leut’“, sagt Michael Heberle, und sein Bruder nickt.

Erstmals seit den Feierlichkeiten zum 75-jährigen Bestehen des Wanderheims im Jahr 2009 gab es jetzt wieder einen Tag der offenen Tür im Orgelfelsenhaus. Wer es nicht wusste, konnte dabei auch erfahren, woher das Wanderheim seinen Namen hat: von einer benachbarten Felsformation, einem Naturdenkmal.

Wildseemoor ist größtes Hochmoor im Schwarzwald

Vom Orgelfelsenhaus auf rund 600 Höhenmetern bieten sich Wanderungen zum Wildsee oder zum Hohloh-Turm und zum Hohlohsee im Höhengebiet Kaltenbronn an. Das auf rund 900 Meter gelegene Hochmoorgebiet steht seit Jahrzehnten unter Naturschutz. Es war nach Angaben der Stadt Gernsbach das erste Naturschutzgebiet in Baden-Württemberg. Das Wildseemoor gilt zudem als das größte Hochmoor im Schwarzwald.

Quelle: Badische Neueste Nachrichten (BNN) | bnn.de

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